Biografie: Mein Weg aus der Dunkelheit

Ich, Sven, wurde 1982 in Frankfurt (Oder) geboren und wuchs in einer Familie auf, die von tiefgreifenden Herausforderungen und emotionalen Belastungen geprägt war. Mein Vater, ein gelernter Möbeltischler, erlitt in seiner Kindheit einen Impfschaden, was zu einer schweren Entzündung seines Kieferknochens führte. In der Folge musste sein Kinn entfernt werden, und er wurde aufgrund seines Aussehens in der Schule stark gemobbt. Meine Mutter stammte aus Crimmitschau, hatte eine psychisch kranke Mutter und einen alkoholkranken Vater und trug früh Verantwortung für ihre Familie. Diese Belastungen prägten auch meine Kindheit und führten dazu, dass meine Mutter uns Kinder überbehütete, oft aus Angst, uns könnte etwas zustoßen.

1986 zogen meine Eltern nach Crimmitschau, wo sie ein Haus kauften. Zur Wende 1989 wurde ich eingeschult. Die ersten vier Jahre in der Grundschule waren eine unbeschwerte Zeit voller schöner Erlebnisse. Doch mit dem Wechsel in die Oberschule begann eine schwierige Phase in meinem Leben. In einer rauen, gewalttätigen Klassenatmosphäre wurde ich als kleiner, zierlicher Junge schnell zum Opfer von Mobbing. Täglich wurde ich verbal und später auch körperlich angegriffen. Ich hatte panische Angst und konnte den Beleidigungen und Attacken nichts entgegensetzen. Mit Beleidigungen wie „Du bist ein Nichts“ und „Missgeburt“ versuchte man, mich zu brechen. Schließlich wurde ich geschlagen, bespuckt, getreten und in den Pausen sogar in den Schulschrank eingesperrt. Um dem Ganzen zu entfliehen, begann ich, die Schule zu meiden und verbrachte stattdessen viel Zeit in den verlassenen Fabrikruinen in Crimmitschau.

Diese traumatischen Erlebnisse hinterließen tiefe seelische Wunden, die mich lange Zeit begleiteten. Auf der Suche nach einem Ausweg und einem Ventil geriet ich schließlich in eine zwanzigjährige Abhängigkeit von Crystal Meth. Die Droge half mir zunächst, die ständigen Ängste und den emotionalen Schmerz zu betäuben. Doch sie zog mich immer weiter in einen Teufelskreis aus Selbstzerstörung und Verzweiflung. Mein Leben geriet zunehmend außer Kontrolle, bis ich schließlich beim Versuch, Crystal Meth ins Land zu schmuggeln, verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Statt die Strafe anzutreten, floh ich und verbrachte eineinhalb Jahre auf der Flucht, immer in Angst vor der Verhaftung.

Letztendlich wurde ich gefasst und ins Gefängnis gebracht. Die ersten Monate in Haft waren geprägt von Ablehnung – gegenüber den Beamten, meiner Umgebung und mir selbst. Doch im Gefängnis begann ich, über mein Leben nachzudenken und mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Nach und nach fand ich inneren Frieden und erkannte, dass die kleinen Dinge im Leben – die ich zuvor übersehen hatte – wahres Glück bedeuten können. Ich nutzte die Zeit, um an mir zu arbeiten und meine Perspektive zu verändern.

Heute habe ich mein Leben komplett gewandelt. Ich bin gelernter Suchtberater mit einer Beratungsstelle in Leipzig-Leutzsch und arbeite mit Obdachlosen und drogenabhängigen Menschen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Maik Löwen bin ich in Schulen und Bildungseinrichtungen unterwegs, um über die Folgen von Sucht aufzuklären. Unser Ansatz ist nicht, mit dem erhobenen Zeigefinger zu belehren, denn Jugendliche erreicht man nicht durch Verbote. Stattdessen wollen wir, dass die Schüler selbst erkennen, wie viel Leid jede Form der Sucht mit sich bringt. Wir erzählen von unseren Erfahrungen und versuchen, sie für die Gefahren von Drogen zu sensibilisieren, ohne zu moralisieren. Mein Weg hat mich gelehrt, dass Veränderung möglich ist, und diese Botschaft möchte ich an andere weitergeben.